Donnerstag, 8. Januar 2009

Auf der anderen Seite der Welt: Wasser

Wo eine Mühle ist, ist auch Wasser. Ich wundere mich, seit ich hier bin, also seit drei Tagen, dass in der Stadt aus unzähligen Brunnenrohren Wasser läuft. Ich wundere mich. Mir wurde lange vor meiner Ankunft per email mitgeteilt, dass in diesem Winter ungewöhnlich viel Schnee gefallen sei. Und dass die Temperaturen sich seit Wochen auch tagsüber oft im zweistelligen Minusbereich bewegen.
Warum also läuft unablässig Wasser aus allen Brunnen der Stadt? Warum fließt der Mülibach? Warum die Enziwigger? Warum die Buochwigger?

Vor etwas mehr als einer Woche kamen wir aus der Wüste zurück. Aus einem Land, welches an seiner westlichen Grenze ein Totes Meer beheimatet. Auch dieser eigentlich salzhaltige Binnensee trocknet allmählich aus. Aus einem Land, das sich einen biblischen Fluss und viele biblische Stätten mit seinem aggressiven Nachbarn teilt. In den Jordan wird vor den Stellen, die Touristen zugänglich gemacht sind, Wasser gekippt. Damit die Illusion aufrecht erhalten werden kann, es handle sich hierbei um einen Fluss. Und das Jordantal sei eine blühende Landschaft. Jordanien hat, aus welchen Gründen auch immer, zugestimmt, dass Israel 80% des Wassers aus dem Grenzfluss zusteht.

Jetzt lebe ich plötzlich in einer Mühle. In der Stadtmühle. Und wo Mühle, da Wasser. Die Mühle stand wahrscheinlich schon, bevor die Stadtmauern errichtet waren bzw. bevor der Flecken Stadtrechte erworben hatte. Sie war zuerst Mühle, dann Stadtmühle und Teil der Stadtmauer. Ich lebe hinter fünf mittelalterlichen Fenstern einer ehemaligen Stadtmauer. Es dringt kaum Tageslicht in mein großes Zimmer, das seit der Stilllegung und Modernisierung der Mühle Atelier heißt. Das natürliche Licht nimmt mir die mächtige Stadtkirche weg. Ich lebe Tag und Nacht mit elektrischem Licht. So wie aus dem alten Rohr des unscheinbaren Brunnens, der an der Müligass zwischen der Mühle und der Stadtkirche steht, Tag und Nacht Wasser fließt. Ich weiß nicht woher. Und ich weiß nicht wohin. Und ich weiß erst recht nicht warum oder wozu.

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